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Das Bodennahrungsnetz

Bodennahrungsnetz weiß auf schwarz

Ausgangspunkt unserer Sichtweise auf gesunde Böden ist der in der Bodenmikrobiologie entwickelte Begriff des Soil Food Web, auf deutsch: Bodennahrungsnetz. Er bezeichnet die Gesamtheit aller Lebewesen im Boden sowie ihre vielfältigen, bisher erst teilweise erforschten Verbindungen untereinander. Insbesondere die amerikanische Bodenmikrobiologin Dr. Elaine Ingham hat hier Pionierarbeit geleistet: In ihrer über 40-jährigen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit konnte Ingham ein Verständnis des Bodennahrungsnetzes entwickeln, das auf den praktischen Einsatz im Feld zum konkreten Zweck der Regeneration von Böden ausgerichtet ist. Ihr Modell unterteilt das Bodennahrungsnetz in fünf sogenannte funktionelle Gruppen, die jeweils unterschiedliche Arten enthalten:

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  1. Bakterien (Kokken, Stäbchen, wendelförmig, stilförmig, hyphenbildend)

  2. Pilze (Oomycota, Ascomykota, Deuteromykota, Basidiomykota, Glomeromycota)

  3. Protozoen (Amöben, Flagellaten, Ciliaten)

  4. Nematoden (bakterienfressende, pilzfressende, wurzelfressende, allesfressende und räuberische Arten)

  5. Arthropoden (mikro- und makroskopische Arten)

 

Da in einem gesunden, ausreichend strukturierten und daher gut belüfteten Boden hauptsächlich aerobe Vertreter jeder funktionellen Gruppe aktiv sind, gilt es, diese zu fördern beziehungsweise im Fall degenerierter Böden wieder anzusiedeln.

funktinelle Gruppen

Pilze

Wenn von Pilzen im Boden die Rede ist, sind nicht jene Pilz-Fruchtkörper gemeint, die bei vornehmlich feucht-kühlem Wetter aus der Erde sprießen, sondern das unter der Erde verborgen liegende Pilz-Myzel. Jedes Myzel besteht aus einem Netz von auseinander hervorgehenden und ineinander verwundenen winzigen Röhren, den Pilzhyphen

Pilze verrichten im Boden die gleiche Arbeit wie Bakterien. Wie Goldschürfer waschen sie Nährstoffe aus dem Bodenmaterial heraus und zersetzen dabei alles, was ihnen begegnet. Anschließend nutzen sie diese Nährstoffe als Nahrung für sich. Pilze haben jedoch einen entscheidenden Vorteil gegenüber ihren runden Miniatur-Kollegen: Anders als Bakterien kann jeder Pilz einen Cocktail aus vielen verschiedenen Enzymen produzieren und so unterschiedliche Nährstoffe gleichzeitig aus dem Boden herauslösen. Obwohl Pilze durch ihre stabile Außenwand aus Chitin besser vor Fressfeinden geschützt sind, stellen auch sie ein begehrtes Futter für viele in der Nahrungskette höher stehende Bodenbewohner dar.

Man kann zwei Arten von Pilzen unterscheiden: Jene, die Pizza backen, um sie selber zu essen. Und jene, die Pizza backen, um sie zu verkaufen und einen Lieferservice damit zu betreiben. Kunden dieses Lieferservice sind Pflanzen: Sie bezahlen den Pilz mit zuckrigem Wurzelsaft dafür, dass er ihnen auf Bestellung termingerecht bestimmte Nährstoffe und Wasser frei Haus liefert – eine echte Win-win-Situation. Die Für-sich-selbst-Bäcker werden Saprophyten genannt, die Lieferservice-Betreiber heißen Mykorrhiza.

Nematoden

Nematoden – auch bekannt als Fadenwürmer – sind ebenso wie Protozoen Jäger des Bodens. Viele Nematodenarten im Boden fressen Bakterien und scheiden dann einen Großteil der aufgenommenen Nährstoffe in wasserlöslicher und somit pflanzenverfügbarer Form wieder aus. Es gibt allerdings auch Arten, die sich auf Pilzhyphen als Nahrung spezialisiert haben, diese mit ihrem speerartigen Stachel anstechen und anschließend aussaugen. Oder Arten, die vornehmlich ihre Artgenossen verspeisen. Oder Arten, die wahllos alles fressen, was ihnen ins Maul strömt, inklusive kleiner Sporen und Pollen.

Eine bestimmte Unterart jedoch hat den ursprünglich guten Namen der Spezies in Verruf gebracht: Der wurzelfressende Nematode ist ein Pflanzenschädling, der immensen Schaden anrichten kann. Allerdings bevorzugt er zwielichtige Umweltbedingungen in Gestalt von geringer Sauerstoffversorgung, die bei gesunden Böden nur selten bis gar nicht vorkommen.

Arthropod Shredder.jpg

Bakterien

Bakterien sind überall. Als mikroskopisch kleine Einzeller besiedeln sie alle erdenklichen Oberflächen, befinden sich in der Luft, im Wasser, in Pflanzen, im Darm, auf der Haut und bevölkern auch den Boden unter unseren Füßen. Zusammen mit den Pilzen bilden Bakterien die zweite trophische Ebene des Bodennahrungsnetzes. Bakterien besitzen die Fähigkeit, Enzyme zu produzieren, die sowohl mineralische Sandkörner als auch organisches Pflanzenmaterial langsam zersetzen können. Durch diese enzymatische Zersetzung werden im Bodenmaterial “gefangene” Nährstoffe freigesetzt. Diese verleiben sich die Bakterien umgehend ein.

Da Bakterien keinen nennenswerten Körperbau haben, sind sie dasjenige Lebewesen auf der Erde mit dem höchsten Nährstoffgehalt. Bakterien sind daher ein höchst attraktives Futter für alle in der Nahrungskette höher stehenden Bodenbewohner.

Protozoen

Protozoen sind Lebewesen, die lediglich aus einer einzigen Zelle bestehen, so wie Bakterien auch. Es gibt unter-schiedliche Arten in verschiedenen Formen und Größen: von der sich schleimartig fortbewegenden Nackt-Amöbe, über die bewegungslose Schalen-Amöbe bis hin zum mit peitschenartiger Schnur ausgestatteten Flagellat oder dem am ganzen Körper behaarten Ciliat.

Gemeinsam teilen Protozoen ihre Liebe zu Bakterien als Nahrungsquelle, was sie zum kleinsten Jäger unseres Planeten macht: Protozoen lassen Bakterien zunächst für sich Nährstoffe sammeln, um sie dann zu fressen und den in ihnen enthaltenen Nährstoffsaft zu genießen. Da jedoch die Konzentration an Nährstoffen in Bakterien zu hoch für ein Protozoon ist, muss es einen beträchtlichen Teil der aufgenommenen Nährstoffe umgehend wieder ausscheiden. Diese nun in Wasser gelösten Nährstoff-Ausscheidungen können direkt von Pflanzenwurzeln aufgenommen und für das eigene Pflanzenwachstum verwendet werden. So entsteht das Wunder des sich selbst regulierenden Nährstoffkreislaufes im Boden, der ohne weiteres Zutun des Menschen pflanzliches und tierisches Leben über der Erde ermöglicht.

Arthropoden

Arthropoden sind das Häckselwerk des Bodens. Vom Aussehen her erinnern sie unterm Mikroskop an krabbelnde Insekten oder Spinnentiere. Diese kleinen Mehrzeller besitzen ein ausgeprägtes Beißwerkzeug am Mund, mit dem sie abgestorbenes Pflanzenmaterial problemlos in winzige Stücke zerteilen können. Dabei ernähren sie sich vor allem von Pilzen, scheiden einige der verdauten Nährstoffe in pflanzenverfügbarer Form wieder aus und tragen so zum mikrokosmischen Nährstoffkreislauf bei. Außerdem lockern sie durch ihre kräftigen und durchaus raschen Körperbewegungen den Boden auf. Und last but not least: Sie dienen allen einzelligen Mikroorganismen unfreiwillig als “Taxi”, indem sie sie als blinde Passagiere in für diese unerreichbar weit entfernte Gefilde im und sogar über dem Boden transportieren.

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